Was ist das Erfolgsgeheimnis der Evolution, fragt Joachim Bauer in
seinem Buch: Prinzip Menschlichkeit - und widmet der Antwort das
ganze Buch.
Es
ist die Kooperation, es ist die Gemeinschaft und nicht die Selektion
der Besten im Kampf um das Dasein.
Es
ist die Kraft der Liebe, wie Gerald Hüther es in seinem Buch, die
Evolution der Liebe nur ein wenig anders ausdrückt.
Verantwortung für benachteiligte Menschen
Ein Gefühl der Verantwortung für die Menschen, die gesellschaftlich
am Rande stehen, ist etwas, was tief in mir verwurzelt ist, seit ich
zurückdenken kann. Als Kinder haben wir mit unseren Eltern die
Behindertenwohngemeinschaften in Gallneukirchen besucht, die Seele
des Weihnachtsfestes war das Musizieren als Familie in der
Lungenheilstätte am Hirschenstein. Und ich habe mich für meine
Eltern, auch sie auf eine bestimmt Art am Rande, sehr verantwortlich
gefühlt.
Dennoch war die Entscheidung, zunächst einmal Krankenschwester zu
werden, keine wirklich bewusste, sondern eine Art Notlösung, weil es
mir sehr an klaren Zukunftsvorstellungen fehlte. Man kann sagen, ich
hatte Glück, denn die Arbeit im sozialen Bereich ist mir zur
Berufung geworden, obwohl ich mit 18 so wenig Ahnung von
Entscheidungen und Lebensplanung hatte.
Aus diesem Grund reicht es mir heute nicht, als Ergotherapeutin mit
alten Menschen meine Arbeit von Montag bis Freitag auszuüben,
sondern versuche, unter anderem, mit der Lesereihe Literatur für
all(t)e Menschen einen winzigen Beitrag dazu zu leisten, dass Alter
weniger angstbesetzt wird. Link:
http://www.wienkav.at
Umweltschutz und Gesundheit
Auch der Biologieunterricht hat Spuren hinterlassen. Dank unseres
Lehrers Fritz Gamauf am EORG in Oberschützen war sogar mir die
Abstimmung gegen Zwentendorf etwas Eindrückliches und ich war stolz,
dass bei uns kein Atomkraftwerk in Betrieb ging.
Bereits seit meiner Schulzeit hab ich das Bild der Menschheit als
eine Horde von Lemmingen vor mir, die sich unaufhaltsam dem Abgrund
sich zubewegt, obwohl ich mich nicht mehr erinnern kann, wie ich zu
diesem Schluss kam (der Biologieunterricht?) und mir, vor allem aus
heutiger Sicht die Welt zu diesem Zeitpunkt fast noch idyllisch heil
vorkommt (was natürlich nicht den Tatsachen entspricht). Dennoch,
wir Lemming sind näher am Abgrund, denn je.
Rückblickend denke ich, wie schön, dass es so selbstverständlich
war, Gemüse und Obst aus dem Garten zu essen, biologisch gedüngt mit
Kuhmist vom Nachbarn und dem eigenen Kompost, noch bevor das Wort
biologisch eine Kehrtwende in der Gesellschaft einleitete. Im Sommer
wurde der Garten mit Wasser aus dem eigenen Brunnen gegossen,
übrigens dem einzigen Brunnen im Dorf, den es noch gab, eine Art
fortschrittliche Rückständigkeit war dieser Brunnen. Die Milch
bekamen wir kuhwarm beim Bauern.
Ich erinnere mich noch, wie eigenartig es war, als der Direktverkauf
vom Hof nicht mehr erlaubt war und wir die erste Milch im Packerl
kaufen mussten... Als ich dann in Wien lebte, war es für mich sehr,
sehr befremdlich, den organischen Müll nicht extra zu sammeln,
etwas, was sich zum Glück geändert hat.
Auch, wenn das gesellschaftliche Bewusstsein bezüglich gesundem
Essen und Umweltschutz einen Wandel zum Positiven durchmacht, gehen
diese Veränderungen zu einem Zustand, wie ich ihn als Kind als
normal erlebte, immer noch viel zu langsam. Und wenn ich auch
motiviert bin, fair und biologisch zu kaufen, muss ich Kompromisse
machen, nicht zuletzt, weil ein Gehalt keine unerschöpfliche
Ressource ist. Zwar fahre ich nicht Auto, aber ich beheize meine
Wohnung mit Gas und mag es doch manchmal auch wärmer haben, als es
mein Gewissen zulassen möchte. Wenn ich nächstes Jahr eine
Fortbildung in der Schweiz mache, werde ich sehr froh sein, wenn ich
günstig fliegen kann.
Unterm Strich gesehen ist mir bewusst, dass ich mitten in diesem
globalen System stecke, dass ich davon abhängig bin. Es ist mir
bewusst, dass ich mitverantwortlich für soziale Missstände bin, wenn
ich Produkte kaufe, die deswegen so billig sind, weil andere
Menschen so wenig Geld dafür bekommen, und es ist mir bewusst, dass
meine Therme die Co2 Emission erhöht.
In
diesem Spannungsfeld zu bleiben und immer wieder zu entscheiden, den
umweltbewussten Kurs beizubehalten und dennoch, auch wieder einen
Mittelweg gehen zu müssen, der Belastungen für die Umwelt
beinhaltet, ist keine ganz geringe Herausforderung, der man sich
heute als Mensch mit Verantwortung stellen muss.
Bildung und Gesundheit
Wollte ich die Welt "retten" und hätte ich die Möglichkeiten
entsprechende Maßnahme zu setzen, dann würde ich bei den Kindern und
Jugendlichen beginnen, denn alles, was später folgt, ist nichts
anderes, als Schadenbegrenzung, etwas, was zwar auch notwendig ist,
aber dem nicht das Hauptaugenmerk gelten sollte.
In
Joachim Bauers Buch über das Prinzip Menschlichkeit werden viele
Beispiele aufgelistet, welche Auswirkungen Aufmerksamkeit und
Respekt vom Menschen für andere Menschen auf das Gehirn haben,
angefangen von der hohen Lernbereitschaft, die die eigentliche Natur
unseres Gehirns ist, bis hin zur Entwicklung der sozialen Kompetenz.
Wäre es nicht schön, wenn alle Schüler, nicht nur wenige
privilegierte, die Erfahrung machen könnten, dass Wissen nicht
abstrakt ist, und dass es enorm lustvoll ist, die Zusammenhänge in
der Welt zu entdecken?
Wäre es nicht heilsam, wenn die Schule ein Ort ist, wo man die
Erfahrung macht, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die auf das Leben
in dieser Welt nicht nur vorbereitet wird sondern bereits aktiv
daran Teil hat, eine Schule, die das Ziel hat, dass jeder einen
guten Platz in dieser Welt finden kann?
Wäre es nicht gut, wenn Bewegung und Sport ein so
selbstverständlicher Teil des Alltags sind, dass man sich ein Leben
ohne Bewegung gar nicht vorstellen kann?
Und wäre es nicht beflügelnd, wenn man alle Begabungen, die man hat,
frei setzen kann und die Verantwortung, die man später im Beruf
übernimmt, eine ist, die man gern und freiwillig übernimmt, weil der
Beruf Freude macht?
Wäre es nicht einfacher, wenn man gar nichts anderes kennen lernt,
als verantwortungsbewusst mit Menschen und Natur umzugehen?
Wäre die Welt nicht ein schönerer Ort, wenn die Kunst in welcher Art
auch immer Menschen berührt und in Bewegung setzt, weil das Gehirn
von Kindheit an auf vielfältige Art angeregt wurde, sich auf die
unterschiedlichste Weise zu vernetzen, sei es im aktiven Tun oder
beim Sehen und Hören?
Wenn es allen Schulen möglich wäre, Kindern so ein Setting zu
bieten, könnte eine Gesellschaft enorm an Kosten sparen. Ich denke,
es gäbe weniger Kriminalität, Firmen hätten
viele verantwortungsbewusste, mündige und kreative Mitarbeiter
(Vorschriften wäre praktisch überflüssig, Burnout gäbe es nicht
mehr), das Gesundheitssystem könnte aufatmen, weil die Folgekosten
ungesunder Lebensführung geringer würden. Das Alter würde, so hoff
ich zumindest, mit weniger Krankheit und mit weniger Isolation
einhergehen. Die Unbeweglichkeit der Gesellschaft, was
umweltpolitisches Verhalten anbelangt, würde abgelöst werden von
einer Generation mit klaren Vorstellungen, was den
verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen und die Entwicklung
neuer umweltschonender Technologien anbelangt
Wie gesagt, ich träume gern von Utopia. Auf der anderen Seite denke
ich, so unmachbar kann es doch nicht sein, oder?
Dass sich die Kinder meiner
Geschwister unter solchen Bedingungen entfalten, ist zumindest
Realität (und ich bin sehr stolz auf die vier!).
Politik
Träumerin im Herzen und dennoch auch Pragmatikerin im Alltag, wie
ich hoffe, hab ich die beiden Bücher von Barack Obama gelesen: "Ein
amerikanischer Traum" und "Hoffnung wagen" und war zutiefst berührt
und beglückt.
Ich habe die kritischen Stimmen hinsichtlich dessen, was an Wandel
möglich sein wird, zur Kenntnis genommen und wage ihnen zu
widersprechen, nicht weil ich profunde Kennerin der politischen Lage
bin, sondern weil ich in seinen Büchern den Mensch gespürt habe, der
in wenigen Wochen sein Amt antreten wird.
Ich wage zu sagen, dass die Welt sehr wenig Erfahrung damit hat, wie
es ist, wenn Menschen mit derart hoher Integrität und
Wahrhaftigkeit, wie ich sie bei Barack Obama sehe, an eine Position
kommen, die so viel Entscheidungsbefugnis hat. Vielleicht sprengt es
unsere Vorstellungen, dass es wirklich möglich ist, den Kurs zu
ändern, aber es ist eindeutig, dass viele Menschen danach Sehnsucht
haben.
Ich persönlich traue ihm, weil ich spüre, dass er sehr aufmerksam
und reflektiert damit umgeht, wie die Macht und das Umfeld in dem
man sich bewegt, sich auswirken und bin zuversichtlich, dass er den
Zugang zu den Menschen fern der Macht nicht verliert.
Ich bin zuversichtlich, dass er eine Qualität des respektvollen
Zuhörens hat, die die destruktive Form von Verteidigungsmechanismen,
die uns Menschen so oft zu eigen ist, überflüssig macht oder
zumindest reduziert und damit einen konstruktiven Diskurs erlaubt,
sodass Politik nicht mehr davon handelt, welchen Erfolg die eine
oder andere Partei für sich verbuchen kann, sondern davon, dass jede
Idee, die nützlich und gut ist, umgesetzt wird, weil sie dem Wohl
aller dient.
Für mich steht Barack Obama für die Art von Kooperation, die Bauer
in seinem Buch beschreibt. Und darum wage auch ich die Hoffnung und
halte damit nicht nur das Überleben sondern auch die
Weiterentwicklung der Menschen für möglich.
26.12.2008
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