Über die "Ergonautin"

 

Es ist schon etliche Jahre her, daß ich das Zimmer einer meiner Patientinnen betrat, um mit ihr, wie an anderen Morgen auch, das Waschen und Anziehen nach einem Schlaganfall zu üben. Sie strahlte mich mit ihren blauen Augen an -ich werde ihr liebes, großmütterliches Lächeln nie vergessen- und begrüßte mich  mit den Worten:

"Guten Morgen! - Die Schwester hat gesagt, die Ergonautin kommt gleich." Ich hab mich in diese wunderbare, neue Bezeichnung meines Berufsstandes sofort verliebt.

Für mich fanden hier "Ergon", die Arbeit, das Werk sowie im Sinne meines Berufs, die Handlungskompetenz im Alltag, und die "Nautik", die Steuermannskunst zusammen.

Es ist ein wunderschöne Vorstellung, eine Zeit lang die Navigation durch den Alltag meiner Patienten zu übernehmen, bis wir gemeinsam,  auf einem Schiff zusammen ankommen und sie selbst wieder das Ruder im Fahrwasser ihres Alltags übernehmen können. Es ist ein Bild für die Zusammenarbeit, die wir praktizieren, eine, bei welcher auch der Patient handelt und nicht nur ich.

In diesem Wort steckt aber, trotz der leichten Verfremdung die Geschichte der Argonauten und ihrer Suche nach dem goldenen Vlies, Helden auf Abenteuerreise und auf der Suche. Auch wenn ich jetzt nicht zum Raubzug neige, ich bin auf der Suche nach Schätzen von mehr Erkennen und tieferem Verstehen und diese Suche ist mitunter so aufregend und beflügelnd, wie Abenteuer auf einem ungewissen Meer. Die Ergonautin ist somit nicht nur Symbol für meine Berufstätigkeit als Ergotherapeutin, sondern für mein Leben an sich.